TÜRKEI III

12. – 20. NOVEMBER 2019

12.11. 

Auf einen Salep und Kaffee sind wir in die Stadt Eskişehir, weil wir gehört haben, dass sie sehr schön sein soll mit alten schiefen Fachwerkhäuschen. Während wir da so gemütlich schlürfen, kommen zwei Filmer zu uns, und fragen, ob wir Lust haben, in einem Imagefilm für die Stadt mitzuwirken. Ja na klar dachten wir uns und haben dann nach Anweisung unsere Räder durch ein paar Szenerien geschoben und ganz interessiert die Umgebung diskutiert. Tom durfte sogar noch einen Satz auf türkisch sagen und wir sind ganz glücklich weitergefahren. 

Geschlafen haben wir neben einer großen Solaranlage zwar mit wunderschöner Aussicht, aber langsam wirds wirklich kalt und ungemütlich. Vorallem beim Ein- und Auspacken und kochen. Aber ist ja auch keine Überraschung Mitte November mitten in der Türkei. 

13.11. 

Wir wollten weiterkommen, also sind wir ganz stumpf mit Musik in den Ohren auf der Hauptstraße dahingeballert. Das war schön, mal wieder ordentlich Kilometer zu machen.

14.11. 

Und weils am Vortag so schön war, gleich nochmal. Also schön ist was anderes, weil man echt auf großen Straßen unterwegs ist, aber man kommt halt voran und die Türkei ist ein sehr großes Land. Auf einem Feld haben wir einen schönen ruhigen Schlafplatz gefunden und uns gefreut, dass es relativ windgeschützt ist.

15.11. 

War es dann leider doch nicht so ganz und dann kam auch noch Regen dazu. Anfangs nur Getröpfel, aber das dann stetig und immer mehr und Gegenwind und bergauf.. wir hatten echt gar keine Lust mehr, weils auch immer kälter wurde. Wir haben uns schon gefreut, in dem Städtchen Haymana eine schöne warme Suppe zu essen. Aber das lag oben auf einem Berg (mal wieder) und der Weg hat sich echt gezogen. Leise vor uns hinfluchend haben wir uns durch den Schlamm (keine Ahnung, warum da alles voller Schlamm auf den Straßen war) hochgequält und wo wir oben waren, wurden wir direkt von Leuten belagert, die Fotos mit uns machen wollten. Obwohl wir echt scheiße aussahen und unser Lächeln auch nicht so ganz echt gewirkt haben kann. Der Kerl, wo wir zu Mittag gegessen haben, hat uns auch direkt ein Hotel organisiert, weil das mit dem Regen nicht besser wurde und wir weder Lust hatten, weiterzufahren, noch irgendwo draußen zu zelten. Und bei ca. 10€ pro Person mit Frühstück und hauseigenem Hamam… wer kann da schon widerstehen, wenn er nass frierend draußen steht. Also haben wir das gemacht, was man halt so als Radreisender Samstag Abend tut: Nach dem Hamam im Bademantel auf dem Bett hocken, Pita vom Laden gegenüber essen und MMA (eine Art Kickboxen mit weniger Regeln) auf türkisch gucken. 

16.11. 

Wie neu geboren konnten wir weiterfahren und haben neue wunderschöne Landschaften entdeckt. Irgendwie hab ich mir das Ganze viel monotoner vorgestellt, weil die Satellitenbilder der Türkei schon relativ einheitlich braun ausschauen, aber hinter jedem Hügel wartet wieder ein neuer schöner Ausblick. Nachdem wir fast 70km hatten, haben wir uns einen Schlafplatz bei einer Ruine gesucht, damit wir vom Wind geschützt sind. Aber gegen die Kälte hat das leider nix gebracht. In der Nacht ist es wirklich sau kalt geworden und wir haben mit fast allen Klamotten und Mütze über den Augen versucht zu schlafen.

17.11. 

In der Früh sind wir aufgewacht und alles war feucht und eklig. Das Wasser ist an der Zeltwand kondensiert, runtergelaufen und an den Rändern war alles nass und kalt. Bäh.. Geschlafen haben wir auch alle nicht besonders, weils einfach echt zapfig war. Beim Aufsperren der Räder haben wir gesehen, dass das Wasser in den Flaschen angefroren ist. Da freut man sich dann echt über den Gaskocher, der Kaltes warm macht, zb. Abspülwasser. Wenn alles zusammengepackt ist und man auf dem Radl in der Sonne dahinfährt, wird auch alles wieder schön warm und ist gar nicht mehr so schlimm. 

Der Tag war eigentlich ähnlich wie die davor. Schöne weite Landschaft, kleine Dörfer und viele Ruinen und Häuser, die angefangen wurden aber unvollendet vor sich hin verfallen und dem ganzen vorallem in der Abendstimmung einen schön-schaurigen Touch verleihen. 

An diesem Abend aber waren wir im absoluten Nichts. In alle Richtungen waren nur Felder bis zum Horizont, eine einzige Straße und eine Schafherde, die von zwei urigen Schäfern getrieben wurde. Da wars schwierig mit Privatsphäre beim Pinkeln. Aber es war ja eh bald dunkel. 

18.11. 

Benjamin steht auf und sieht keine 10m weit, weil der Nebel so dicht war. Natürlich war da auch nix mit Sachen trocknen lassen oder so. Und sau kalt wars auch wieder. Wir haben kurz überlegt, ob wir einfach liegen bleiben und warten, bis Sommer wird. Aber da haben wir schon wieder das Gebimmel einer Schafherde gehört. Einer sehr nahen Schafherde. Wir waren schon mitten drin. Wir haben uns dann doch aufgerafft, alles zusammenzupacken, weil schöner wirds nicht und für einen Winterschlaf haben wir nicht genug Vorräte. So wirklich glücklich war aber keiner, und so sind wir ziemlich grimmig guckend durch die nächsten Dörfer gefahren und haben nur kurz für seltene Trinkpausen angehalten. Weil des eisige Wasser trinken, wenn einem eh schon kalt ist.. naja. Und dann stehen wir da so auf der einsamen Straße, als sich aus dem Nebel eine Radler-Silouette abzeichnet. Und tatsächlich, ein Radreisender kommt auf uns zu und ruft: „Tom – Julia – Benjamin!“ Waaaaas?? Dann war das der Lukas, den Mindi und Nancy, die zwei Mädls, mit denen wir in Albanien unterwegs waren, in Griechenland kennengelernt und gemeinsam geradelt sind!! Die haben natürlich von uns erzählt und weil er ein anderes Tempo an den Tag legt, hat er uns mal eben eingeholt. Und so viele Straßen gibt es in der Türkei halt auch nicht. Oh mann, da waren wir echt völlig von den Socken. Natürlich erstmal ein Selfie für Mindi und Nancy gemacht und sind gemeinsam weitergefahren. 

Das war echt schön, weil der Lukas viel Positivität in unsere frustrierte Gruppe gebracht hat. Und dann kam auch noch der Salzsee Tuz Gölü, auf den wir uns schon gefreut haben und der sah in der weißen Nebelsuppe natürlich besonders eindrucksvoll aus. Vorallem wenn man da so ins Nichts geht. Oben weiß, unten weiß und es gibt keinen Horizont. Wie Jesus übers Wasser gehen. Schräg, gruselig und schön. 

Am Abend sind wir in einem Hotel in Şereflikoçhisar untergekommen, wo wir Zelt und Schlafsäcke trocknen und mal wieder Klamotten waschen konnten. Ach über sowas freut man sich immer tierisch. Am Abend wurden wir noch in ein Teehaus eingeladen, wo wir Männern beim Rommé spielen zuschauen konnten. Und, wer hätte es gedacht, literweise Tee getrunken haben. 

19.11. 

Der Lukas hat auf jeden Fall eine neue Geschwindigkeit vorgelegt. Und weil wir ja eigentlich auch Lust hatten, endlich in Kappadokien anzukommen, haben wir eifrig mitgezogen. Auch wenn das hieß, dass wir bis zur Mittagspause 67km fahren mussten. Völlig fertig sind wir angekommen, weil die Route doch viel bergiger war, als vermutet. Aber Mittagessen war sehr gut und wichtig, nachdem wir da quasi auf allen vieren reingekrabbelt sind. Danach hatten wir nur noch 15km vor uns bis zu einer Untergrundstadt, wo wir schlafen wollten. Die Dunkelheit kam aber mal wieder rasend schnell und wir haben zum Glück eine Höhle auf dem Weg gefunden, die sehr bezeltbar aussah. Nach kurzer Erkundungstour haben wir den Hügel, in den die Räume gehauen waren, ausgekundschaftet, jeder hat seine Kammer bezogen und wir konnten Holz für ein Lagerfeuer unterm Kamin im Wohnzimmer sammeln. Da gab es glücklicherweise reichlich, weil die abgemähten Maisfelder einiges an getrocknetem Gestänge abgeworfen haben. Allerdings hat es ordentlich gequalmt. Aber das gehört zum autentischen Höhlenfeeling. Wo wir da so sitzen und vollgefuttert ratschen, hören wir auf einmal, wie Autos vorfahren. Sie halten direkt vorm Höhleneingang und leuchten mit den Scheinwerfern rein. Vier Männer steigen aus, zwei mit baseballartigen Knüppeln und fragen, was wir hier wollen. Eingeschüchtert zeigen wir auf unsere Räder und sagen, dass wir hier nur zelten und morgen früh gleich wieder alles aufräumen und weiterfahren. Die Männer gucken kurz und verfallen in den freundschaftlichsten Plauderton: „Aahh cool with the bicycle. Yes no problem, just stay here inside. It’s crazy cold outside, but you have a fire so all good. Well then guys, nice to meet you, have a good night. Byeee… „ Benjamin bietet dem einen noch seine Tupperbox mit Nüssen an, und der freut sich und nimmt sich eine komplette Schaufelhand und geht zufrieden mampfend und Keule schwingend zum Auto zurück.. Na da haben wir doch mal ordentlich unser Revier verteidigt. 

20.11. 

Am Morgen wurde das Lagerfeuer nochmal angeschmissen, Tee gekocht, Frühstück gemacht und zusammengepackt. Draußen haben wir gemerkt, dass wir stinken wie ein Aschenbecher. Naja hauptsache warm wars. Benjamin und ich haben abschließend nochmal die komplette Höhlenstruktur erkundet, als wir vor einem Ausgang auf einmal ein Schaf finden. Das lag da einfach und hat ganz leicht aus dem Mund geblutet. Wir haben erstmal den Lukas geholt, weil der als Arzt mehr sagen kann. Nach kurzer Untersuchung, haben wir auch nicht mehr gewusst, außer, so schlimm kanns eigentlich nicht sein, weil weder viel Blut, gebroche Knochen noch innere Blutungen. Vielleicht hat es einfach keine Lust in der Kälte rumzulaufen. Weil aufstehen wollte es nicht. Zum Glück war in der Nähe ein Schäfer mit seiner Herde, dem wir ein Foto vom Schaf gezeigt haben. Der hat auch gleich verstanden, aber die zwei Minuten, die das gebraucht hat, haben gereicht, dass sich die Herde in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Also erstmal die Viecher unter Kontrolle bringen, und dann das Schaf anschauen. Der ist da echt rabiat rangegangen und dann stand es auch wieder. Weil es noch nicht so recht gehen wollte, hat er mit dem Messer zwei Schnitte unter den Augen an der Wange gemacht mit der Erklärung, dass böse Geister so entweichen können.. ach du Scheiße, da willst du kein Schaf mehr sein. Das arme Vieh! So ganz freiwillig ist es auch nicht weitergegangen, aber der Hirte hat beherzt angeschoben und so wurde es wieder Teil der Herde. Wahrscheinlich am Abend Kebap… Naja. 

Aber dann konnten wir uns auf die Ballone in Göreme freuen!!


EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION

  • Salzsee Tuz Gölü | Schmale Straße über den Salzsee, wo man auch ohne Probleme stehen bleiben und die Weite des Weißen in Ruhe auf sich wirken lassen kann