TEHERAN (IRAN)

05. – 08. DEZEMBER 2019

ALLES IST ANDERS 

Das fängt schon damit an, dass sie Bücher von hinten aufschlagen, Text von rechts nach links lesen, aber Zahlenfolgen und Daten von links nach rechts, sie im Jahr 1398 leben, das Wochenende von Donnerstag bis Freitag geht und 10 Toman das gleiche wie 100.000 Rial sind, was momentan um die 0,70€ entspricht. Mit einer Inflation von ca. 30% ändert sich das manchmal stündlich. Da war natürlich erstmal eine gewisse Umgewöhnungszeit nötig. 

Weil ausländische Kreditkarten im Iran nicht funktionieren, haben wir uns in weiser Voraussicht mit Dollar und Euro in Istanbul eingedeckt und wollten in Teheran erstmal wechseln. Wir wussten schon, dass man den besten Kurs nicht in Banken, sondern Wechselstuben bekommt, also haben wir uns in die Geldwechselstraße aufgemacht und für den Überblick erstmal alle gefragt. Der beste Kurs war 1€ = 132.000 Rial. Die hatten aber kein Geld mehr und wie wir dann erfahren haben, die anderen auch nicht.. das hätten sie auch schon vorher sagen können, bevor wir uns den Mund fuselig reden. Das Problem ist nämlich, dass viele Leute mit dem Geld spekulieren, und Fremdwährung am Morgen tauschen und dann zu späterer Stunde, wenn der Kurs besser steht, wieder an Touristen zurücktauschen. Und weil es nicht so viel Geld gibt, sind die Wechselstuben dann leer. Oder wollen nicht mehr.. das haben wir nicht so ganz verstanden, weil sie generell gar nix in keine Richtung tauschen. Naja. Die „change money?“- Männer auf der Straße haben uns auch fleißig angeredet, aber da wollten wir keinem vertrauen. Weil aber wirklich gar keine Wechselstube Geld hatte, und man mit einem 100$ Schein nirgendwo einkaufen kann, waren wir ratlos. Direkt stand wieder ein eifriger Wechsler vor uns und hat uns auf Englisch das ganze Debakel mit der Währung erklärt. Als wir beschlossen haben, sein Geld mal anzugucken, zieht er sein Hosenbein hoch und holt eine dicke Rolle aus seiner Socke. Na super, das fühlt sich richtig an. Er gibt uns die Scheine und erlaubt Tom, sie in der Bank auf Echtheit zu überprüfen. Scheint alles in Ordnung zu sein, also haben wir für 100$ 13.000.000 Rial bekommen, und damit einen Kurs, der um einiges besser war, als in so mancher Stube. Weil wir das nicht wirklich glauben konnten, hat er uns zur Sicherheit seine Nummer gegeben. Ganz brav haben wir ihn unter „Geldverkäufer Iran“ im Handy gespeichert, das aber eher für eine billige Masche gehalten. Dementsprechend skeptisch waren wir auch, als wir das erste Mal bezahlt haben. Aber das Sockengeld wurde aktzeptiert und wir mussten Geldverkäufer Ali nicht kommen lassen. 

In Teheran hat es uns ehrlich gesagt überhaupt nicht gefallen. Wir waren zwei Tage da und es war kalt, hat geregnet und man wollte wegen dem ganzen Smog gar nicht atmen. Die Kinder hatten zu der Zeit sogar Smogfrei, also kann man sich vorstellen, wie es da aussah.. alles grau, laut und voller Verkehr. Die Roller fahren ja auch nicht nur auf den Straßen in allen Richtungen, sondern auch auf den Gehsteigen und im Bazar. Und Abgasfilter (falls überhaupt welche vorhanden sind) werden hier schön aufgebohrt oder entfernt, damit die PS nicht drunter leiden. Der Teil vom Bazar, den wir gesehen haben, war auch echt nicht schön. Es gab nur gefälschte Markenklamotten, grelle Unterwäsche und Plastikschuhe, die auch genau danach riechen. Und haufenweise Stoffe. Aber das konnte man sich nicht entspannt anschauen, weil man von Kurieren umgerannt wurde. Die ziehen ihre Wägen mit Stoffballen einfach so über die Füße, alle schreien, die Mopeds stinken und alle starren einen an. Schnell wieder raus und zurück ins schöne Hostel. Das war echt eine Oase mit ruhigem Innenhof und durchdachter Organisation. Da wussten wir das aber noch nicht so sehr zu schätzen, weil davon hat der Iran leider nicht viel. 

Weil der Verkehr im Vergleich zu Istanbul nochmal gut eine Schippe drauflegt, waren wir heilfroh, dass der Zug nach Isfahan um 23.00 fährt. So mussten wir wenigstens nicht tagsüber ins Chaos. Also haben wir uns nach einem Monat gemeinsamer Radlerei ganz traurig vom Benjamin verabschiedet und uns in auf die Straße gewagt. Da muss man wirklich mit allem rechnen und alles ist möglich. Generell läuft das so ab: Wenn man von rechts (oder links) in die Straße einbiegen will, tut man das einfach. Erst wenn jemand hupt wird geguckt. Das Gute ist, die fahren alle nicht besonders schnell, aber gucken und auf eine Lücke warten tut keiner. Da waren wir um unsere Hupen echt froh, weil so ein kleines BingBing hört kein Mensch. Aber nicht nur die Autos sind unberechenbar. Das schlimmste sind die Mopeds, die einfach wild in der gegend rumgasen. Von allen Richtungen in alle Richtungen. Und die Fußgänger sind auch nicht an Fahrradfahrer gewöhnt, sprich wenn ich nix höre ist da nix, also kann ich rüberlaufen. E-Autos existieren ja nicht, also muss nicht geguckt werden. Und wenn mal ein Gullideckel fehlt, interessiert das keinen. Es wird höchstens ein fußballgroßer Stein davor gelegt. Als Warnung. Obwohl es vom Hostel zum Bahnhof nur acht km waren, waren wir echt fertig. Die Warnwesten haben auch nicht besonders viel gebracht, weil die nicht reflektieren, wenn keiner mit Licht fährt. Aber wir habens ja geschafft. 

Das Traurige ist eigentlich, dass Teheran vor früher eine der saubersten und grünsten Städte der Welt war. Das haben wir zumindest von einer Deutschen erfahren, die vor 25 Jahren einen Iraner geheiratet hat und den Verfall der Stadt so miterlebt hat. Früher konnte man von den Bergen aus noch die ganze Stadt überblicken. Jetzt verschwimmt es einfach nur in einer grauen Suppe. Und die vielen Grünflächen mussten wegen der Wohnungsknappheit großen Apartmentkomplexen weichen.  Momentan steht Teheran auf Platz 199 von 231 bei dem Ranking der lebenswertesten Städte. Das können wir auf jeden Fall unterschreiben.


EMPFEHLUNG DER REDAKTION

  • Heritage Hostel | oasengleiches Hostel mitten in Teheran, sehr gut gelegen, gepflegt, sauber und schöne Atmosphäre mit lieben Leuten