IRAN SAUKALT

09. – 15. DEZEMBER 2019

Nach dem Höllentrip durch die Stadt, war die Fahrt im Zug dafür umso entspannter. Da der Zug relativ leer war, hat uns der Schaffner von unserem vollen Abteil in ein leeres umquartiert, wo wir bis zum Morgengrauen gemütlich schlafen konnten. Traumhaft. 

Um 6.30 Uhr sind wir am Bahnhof in Isfahan angekommen und haben uns schon aufs Fahren gefreut. Leider gab es nur eine dreispurige Hauptstraße und der Abgasgestank war heftig. Also haben wir uns wieder die Atemschutzmasken aufgesetzt, die wir schon in Teheran gebraucht haben. Nach fünf Kilometern mussten wir aber doch nochmal Zähneputzen, weil der Morgenmundgeruch hats auch in sich. Das Schlimmste aber sind die alten deutschen Mercedeslaster aus den 60er Jahren. Die blasen einen Qualm in die Natur, dass man denkt, da drin wär ein Kohlekraftwerk. Und die anderen Mühlen sind auch nicht besser. Um der Hauptstraße zu entgehen, haben wir einen entspannteren Umweg genommen. 

Bei der Mittagspause in Talkuncheh wurden wir von einem alten Mann auf einem Moped zu einem Restaurant geführt, das absolut nicht als solches zu erkennen war. Da keiner unsere Pantoumimedarstellung von „vegetarisch“ verstanden hat, kam der Besitzer und drückt mir ein Handy in die Hand.

Das ist schon einige Male passiert, dass Leute irgendjemanden anrufen und sie dann einfach an uns weitergeben. Manchmal zum Übersetzen, aber manchmal auch einfach nur zum Ratschen. In der Türkei beispielsweise hat uns ein Typ beim Tee auf der Kühlerhaube das Handy gegeben und wir haben mit einer entfernt Bekannten geskyped, die in Landsberg am Lech wohnt. Und dann telefoniert man halt mit irgendjemandem von irgendwo über irgendwas und alle freuen sich.

Kurzer Exkurs. Auf jeden Fall war am anderen Ende der Nehmat, der fragte, ob alles gut sei, alle lieb zu uns sind und er komme in 15 Minuten vorbei. Gesagt getan und so wurde aus dem kleinen Telefonat ein lustiges Gespräch und im Endeffekt haben wir bei ihm übernachtet, wurden noch richtig lecker bekocht und in die iranische Kultur eingeführt. Wir haben uns wirklich gut mit ihm verstanden, weil er sehr offen und ehrlich erzählt und die Dinge auch beim Namen genannt hat. Zum Beispiel, dass es in ihrem Shenasnameh (Mischung aus Personalausweis und Stammbuch) mehr Platz für die Ehefrauen gibt, als für Kinder. Es ist zwar nicht mehr üblich, mehrere Ehefrauen gleichzeitig zu haben, aber manchmal existiert es halt doch. Und weil man sich nicht erst lange kennenlernt bevor man heiratet, gibt es auch schnell mal eine Scheidung. Dann kann im Laufe der Zeit schon eine Liste zusammenkommen.  

Wir haben ja schon oft gehört, dass das Besondere am Iran vorallem die Gastfreundschaft und generelle Freundlichkeit der Menschen ist. Und das ist echt kein Gerücht. Die Leute sprechen einen überall an, sind freundlich, fragen, wie es einem geht, ob man Hilfe braucht oder ob sie sonst noch was für einen tun können. Und das hat uns echt auch oft gerettet. Wir wurden auch alle daumenlang eingeladen. Einmal hat uns ein Auto überholt und schon im Vorbeifahren einen Sack Mandarinen entgegengehalten. 100 m weiter hat es angehalten und eine Familie hat uns für den Abend zu sich nach Hause eingeladen. Wir wissen ja, dass man jedes Angebot mindestens drei Mal ausschlagen muss, weil das ein Zeichen der Höflichkeit ist. Taarof wird das genannt und ist manchmal echt nervig, weil man nie weiß, ob sie es jetzt wirklich ernst meinen, oder ob ihnen das ihre Kultur vorschreibt. Aber na gut, die haben es definitiv ernst gemeint, weil sie nach 5 km wieder auf uns gewartet haben. Und als wir dann nach einer halben Stunde immernoch nicht an der Adresse waren, die der Vater (ein Ali mal wieder) uns gegeben hat, sind sie von Zuhausse nochmal aufgebrochen, um uns zu suchen. Das hat er sich irgendwie nicht vorstellen können, dass man so lange für 20 km brauchen kann. 

Die Familie war echt super fürsorglich, aber Ali ziemlich anstrengend. Er hat uns wirklich alle 10 Minuten gefragt, ob eh alles passt, ob er was einkaufen soll, dass es ihm leid tut, dass das Essen nix besonderes und das Haus seiner Mutter so schäbig ist. Aber wir waren einfach nur heilfroh und dankbar, dass wir nicht draußen in der Kälte zelten mussten. Zum Abendessen kam dann die ganze Familie. Da war echt volles Haus und keiner hatte was anderes zu tun, als uns beim Essen zuzugucken, zu kichern und heimlich Fotos zu machen. Nach dem Essen haben wir nochmal posiert und auch mal ein Foto zurück gemacht, weil es echt schräg war. Danach sind alle heimgegangen und wir fix und fertig ins Bett gefallen. Besser gesagt auf eine gemütliche Matte auf dem Teppich. Als Decken haben sie hier überall diese flauschigen Polyestherdecken, wo man im Dunkeln die Funken sprühen sieht. Aber sehr warm auf jeden Fall und das war auch nötig bei den Temperaturen und der Isolierung der Häuser. 

Wir freuen uns tierisch wieder auf Wärme, um auch wieder öfter zelten zu können. Momentan sind es tagsüber so 10°C und in der Nacht -2 bis -5°C. Aber das wird wohl noch dauern, ist ja auch erst Mitte Dezember und Mitte Iran. Wenn man radlt, gehts mit den Temperaturen, weil man sich ja bewegt. Aber das Auf- und Abbauen, Kochen, Packen und warten bis der Schlafsack warm ist, zehrt einen aus.

Auf der Zielgeraden nach Shiraz, wo wir in drei Tagen meine Eltern treffen, hat es so in Strömen gewindet und geregnet, dass wir das Angebot von einem Pick-up liebendgerne angenommen haben, der uns 150 Kilometer durch die  eisige Kälte mitgenommen hat. Das war wirklich der Hammer, weil wir so noch drei Tage Zeit hatten, uns zu organisieren und wieder klarzukommen. Das war echt typisch am Iran: Immer wenn irgendwas richtig ätzend ist oder nicht läuft, kommt ein lieber Mensch und hilft uns!

In Shiraz mussten wir dringend Wäsche waschen. Aber im Hotel wurde pro Stück gerechnet, und obwohl wir wirklich nicht viele Klamotten besitzen, wären wir doch auf umgerechnet ca. 18€ gekommen. Dafür waren wir natürlich zu geizig, also haben wir uns auf die Suche nach einem Waschsalon gemacht. Gibt es im Iran leider nicht, nur Wäschereien. Als wir da aber gesehen haben, dass sie eine Lederjacke bügeln und es immernoch 15€ gekostet hat, haben wir sämtliche Hostels nach einer Waschmaschine gefragt. Wir wollen ja nix besonderes, aber es darf halt auch nicht über 40°Grad heiß werden und auf keinen Fall in den Trockner, sonst werden unsere gerade so passenden Merinoshirts bauchfrei. Nach fünf Stunden Sucherei und Rumtelefoniererei haben wir es dann endlich geschafft, für 4,30€ unser Zeug für 30 Minuten mit eigenem Waschmittel waschen zu lassen und nass im Hotel aufzuhängen. Tagesaufgabe erledigt. 

Am Abend wollten wir uns mit einem Restaurantbesuch belohnen und sind auf Empfehlung zu einem Burgerladen spaziert. In dem kleinen Laden haben um die 15 Leute gearbeitet, die alle irgendwie nix getan haben. Leider konnte keiner von ihnen englisch und die Karte war auf Farsi, also haben wir außer den Preisen auch nix lesen können. Nach ein bisschen „Bock Bock“, „Muuuh“ und „Sabsi“ (farsi für Gemüse) haben wir auf gut Glück bestellt und uns gewundert, dass in so einer Großstadt von allen jungen Mitarbeitern kein einziger auch nur ein bisschen Englisch versteht. Weil Mühe haben sie sich schon gegeben. Das Essen kam, war nicht gut und viel zu viel. Wir haben es eingepackt, weil es viele Obdachlose gibt, die wirklich in Müllsäcken in Tonnen nach Essen suchen. Vor dem Laden haben wir auch gleich einen gefunden, dem wir den Burger angeboten haben. Und in perfektem Englisch bedankt er sich, fragt, wo wir herkommen, wie es uns gefällt und reißt noch einen Witz übers Wetter. Da fragt man sich schon manchmal… 

Irgendwie haben wir uns leider in ein Tief gefahren. Aber wir wollten den Iran nicht einfach abschreiben und haben uns immer wieder gesagt, das kanns doch nicht gewesen sein. Oft hatten wir nämlich das Gefühl, dass Leute uns nur zum Rumzeigen einladen. So im Sinne: Guckt mal, das ist mein europäischer Tourist. Was ja auch in gewisser Weise okay ist, aber halt manchmal doch echt anstrengend . Oft kommt gar kein Gespräch zustande, weil es nur ums Fotos machen geht. Ein Mädl, mit dem ich geschrieben hab, schickt mir ein Bild von sich. Sie hat sich anscheinend extra hergerichtet, also antworte ich, dass sie hübsch aussieht. Daraufhin macht sie einen Screenshot und packt unsere Unterhaltung in ihren Whatsapp Status. Damit jeder sehen kann, dass eine Europäerin sie hübsch genannt hat. Ist mir ja eigentlich wurscht, aber man fühlt sich oft einfach vorgeführt.

Das hört sich jetzt alles super negativ an, aber so richtig Spaß hatten wir eben leider einfach nicht. Naja, aber jetzt kommen erstmal meine Eltern und wir freuen uns auf die schöne Abwechslung!