SHIRAZ, KERMAN, YAZD, ESFAHAN (IRAN)

16. – 31. DEZEMBER 2019

Es klopft an der Hoteltür und durch den Spion seh ich Mama und Papa mit einem riesen Koffer auf dem Gang stehen. Da war der ganze Frust direkt weg. Wir haben es richtig genossen, mal wieder so richtig schön Kind sein zu können und einen organisierten Urlaub zu haben. Und das sogar mit privatem Tourguide Faramarz! Endlich faul sein, brav nachlaufen und Fotos machen. Von dem ganzen Organisieren, Entscheiden und Recherchieren haben wir echt eine Auszeit gebraucht. Aber erstmal war Auspacken angesagt! Der riesen Koffer war nämlich gefüllt mit lauter tollen Sachen, die wir uns zu meinen Eltern schicken haben lassen. Zum Beispiel ein Wasserfilter, Ersatzketten, Sandheringe, Parallelgabelschlüssel, Aufkleber mit unserem Logo, Kinderriegel und viele andere wichtige Sachen, an die man einfach nicht rankommt. Und das beste war ein Satz normale Klamotten. Endlich mal wieder eine Jeans, Vans und nen Pulli anhaben – Hammer, auch wenns bloß für die zwei Wochen ist. Schließlich wollten wir neben meinen Eltern nicht wie Hilfsbedürftige ausschauen.

So hatten wir zwei wundervolle Wochen mit Hotels, Restaurants und einem Tagesplan, der meiner Meinung nach viel zu früh angefangen hat. Aber als Morgenmuffel ist eigentlich alles zu früh. Meine Mama, hat als Vorbereitung quasi alle Reiseführer gelesen, die sie in die Finger bekommen hat. Und weil mein Papa ja auch irgendwie von allem Ahnung hat, hatte Faramarz oft nur uns als Unwissende. 

Am Nachmittag sind wir im Auto durch Shiraz zum schönen Bāgh-e-Eram Garten gefahren. Auf dem Weg haben wir amüsiert meine Eltern beobachtet, wie sie den verrückten Verkehr erleben. Wie bei einer Achterbahnanimation saßen hingen sie in den Sicherheitsguten und haben mitgefiebert. Auch wenn das vom Auto aus nochmal eine andere Perspektive war, kannten wir das ganze unstrukturierte Gewusel und Gehupe ja schon. Weil wir mit Fatah einen sehr guten und ruhigen Chauffeur hatten, haben sich meine Eltern aber schnell dran gewöhnt. Trotzdem hat meine Mama uns nur kopfschüttelnd angeschaut: „Und do fahrts ihr mim Radl?! Ihr spinnts ja…“

Erstmal mussten wir uns mal wieder ums Geld kümmern. Faramarz kannte natürlich eine gute Wechselstube, also mussten wir nicht lange suchen, oder hoffen, dass die Rolle aus der Socke kein Falschgeld ist. Mein Papa war ganz aus dem Häuschen, als er gesehen hat, was für ein Packen 300€ werden. Das dauert dann auch ein bisschen, fast 42 Millionen zu zählen. Aber da helf ich natürlich gerne. Kann man jetzt auch nicht mehr einfach in die Hosentasche stecken, aber Papa hat ja ein schickes Tascherl am Gürtel, woraus er seine 500.000er dann ziehen kann. 

Schon der erste Ausflugstag war echt der Hammer. Gleich am Morgen sind wir in die Nasir-ol-Molk-Moschee mit ihren bunten Glasfenstern gefahren. Das sah irre aus, weil die Morgensonne ein wunderschönes Farbenspiel auf den Boden und die kunstvollen Säulen wirft. Das mussten wir natürlich für ein paar kitschige Fotos ausnutzen, weil Mama und Papa nämlich ihren 40. Hochzeitstag hatten.

Anschließend gings direkt nach Persepolis, der altpersischen Palaststadt, die 520 v.Chr. von Darius I. und später von Xerxes und dessen Söhnen errichtet wurde. Alexander der Große hat sie 330 v.Chr. als Rache für die Zerstörung der Akropolis in Brand gesteckt. Da so auch die Bewässerungsanlagen zerstört wurden, wurde Persepolis über die Jahre unter dem Wüstensand konserviert und erst 1931 von deutschen Wissenschaftlern ausgegraben. Deshalb sind die Reliefs und Keilinschriften auch so gut erhalten und die 40m hohen Säulen stehen zum Teil ja auch noch. Durch den Brand wurden zudem die Tontafeln gehärtet, die Aufschluss über die Arbeitsbedingungen geben. Diese waren nämlich nicht irgendwelche Sklaven, sondern Männer und Frauen aus dem ganzen Land, die regelmäßig in Gerste bezahlt und für besonders harte oder gute Arbeit extra entlohnt wurden. Und das schon vor über 2000 Jahren!! Da gab es sogar Frauen in Führungspositionen und jetzt gibt man ihnen nicht mal mehr die Hand.

Wir haben uns für 600.000 Rial (4,29€) eine Virtual-Reality-Brille geliehen, mit der man entdecken kann, wie das Ganze ursprünglich mal aussah. Wenn man da zwischen den ganzen Säulen umherwandert, kriegt man nur schwer ein Gefühl für die Höhe der Gebäude. Irgendwie kam man sich da schon blöd vor, mit dem Ding vor den Augen rumzulaufen, aber es war schon interessant und sehr beeindruckend, was die damals hingestellt haben.

So jetzt aber genug Jahreszahlen, weil wenn ich hier alles aufschreibe, was wir in den zwei Wochen so erfahren haben, dann wird das ein langer Eintrag. Auch wenn das alles wirklich sehr interessant ist. Wir haben gefühlt alle Moscheen auf der Route gesehen und alle Grabmähler oder Residenzen berühmter Herrscher oder Dichter. Alles Sachen, die wir uns mit dem Fahrrad wahrscheinlich nicht angeschaut hätten. Man fährt eben nicht mal 40km Umweg, um sich irgendwas anzuschauen, was nicht unbedingt sehenswert ist. So haben wir die Schönheit des Iran erst richtig kennengelernt. Wir waren auch in uralten Forts, die sehr gut in Schuss gehalten werden. Außer einer brasilianischen Familie, die wir immer mal wieder während der Reise getroffen haben, waren wir oft die einzigen Touristen. Deswegen konnten wir immer in Ruhe alles entdecken und rumkraxeln. Und alles, was wir uns nicht selbst erschließen konnten, konnte Faramarz uns erklären. Zum Beispiel, warum viele Häuser Kuppeln haben statt einem geraden Flachdach. Ist ja viel aufwändiger zu bauen. Antwort: Es gibt kaum großen Bäume und damit auch keine Balken für gerade Decken. Und Ziegel gibt der lehmige Boden immer her, deswegen werden Kuppeln gebaut. Eigentlich einleuchtend, wenn man sich in der kargen Landschaft umschaut.

Vorallem die Saryazd Zitadelle in der Nähe von Yazd war wirklich interessant. Da Papa hat auch gleich einen hölzernen Türschließungsmechanismus entdeckt, der irgendwie nicht ganz schlüssig war. Also haben wir sämtliche Türen und rumliegende Teile untersucht und mit den Leuten geredet, bis wir rausgefunden haben, dass sie damals zwei unterschiedliche Holzschlüssel fürs Auf- und Zusperren hatten. 

Wir waren sehr viel mit dem Auto unterwegs, weil der Iran echt groß ist und das schon ordentliche Strecken von Stadt zu Stadt sind. Ich muss schon sagen, dass wir das sehr genossen haben, rumkutschiert zu werden. Da kann man alles tun, was auf dem Fahrrad nicht möglich ist: schlafen, in aller Ruhe die Landschaft angucken oder kiloweise Pistazien futtern. Da haben meine Eltern leicht übertrieben, wo sie die ganzen Händler gesehen haben. Immer mal wieder eine neue Variante gefunden, 500 g gekauft und schwupps hatten wir fast vier Kilo. Die Dinger gehen ja eigentlich weg wie nix, aber das war schon ne Menge. Aber ich will mich nicht beschweren, wir haben die reichhaltige Auswahl sehr genossen.

Hier mal ein Beispiel wie so ein normaler Tag ausschaut:

Ein wichtiger Feiertag im Iran ist die Yalda-Nacht am 21. Dezember. Da wird Wintersonnenwende gefeiert und dass die Tage jetzt wieder länger werden. Als Symbol für Liebe und Fruchtbarkeit gibt es haufenweise Melonen, Granatäpfel und Nüsse. Familien kommen wie an Heilig Abend zusammen, essen, feiern und lesen Gedichte von dem berühmten Dichter Hafis. Im Hotel gab es dazu auch eine Feier, und als wir vom Restaurant zurückgekommen sind, wurden wir vom Personal direkt in die Feierlichkeiten geschoben. Erstmal haben wir uns das ganz schüchtern vom Rand aus angeschaut. Aber der Sänger hat uns gleich erspäht und uns zu sich gewunken. Da hatte natürlich keiner Lust drauf, aber die ganze Meute hat applaudiert, also bin ich mal hingegangen. Er drückt mir das Mikro in die Hand und fragt auf irgendwas auf farsi. Versteh ich natürlich nicht, aber auf meinen verzweifelten Blick kam Faramarz mir zur Hilfe. Was ich an Yalda so gerne mag, übersetzt er. Keine Ahnung, gestern davon zum ersten Mal gehört. Also alles rauskramen, was Faramarz uns dazu erzählt hat und alle jubeln und klatschen. Hat zwar fast keiner verstanden, aber Faramarz hat übersetzt und dann gabs nochmal Applaus. Oh mann.. Dann wollten einige noch ein Foto mit mir und ich stand zwischen lauter alten klitzekleinen Ladies, die mit ihrem Smartphone überfordert waren. Tom hat sich auch noch dazugestellt. Die anderen waren immernoch an der Seite und haben mich aus sicherer Entfernung ausgelacht. Ach ja Familie.

Am Weihnachtsmorgen sind wir zu den Türmen des Schweigens gefahren, genannt Dachma. Das ist ein großes rundes Plateau auf einem Hügel, wo die Verstorbenen zu sogenannten Himmelsbestattungen gelegt wurden. Im Endeffekt wurden sie den Geiern überlassen. Die Knochen und Überbleibsel wurden nach einer Woche mit Kalk in ein Loch in der Mitte geworfen. Erst in den 70er Jahren wurde diese Art von Bestattung verboten, weil die Vögel teilweise auch Leichenteile über der Stadt fallen gelassen haben. Na besser isses. Einen schönen Ausblick über die Stadt hat man von dort oben aus allerdings. 

Der Abend wurde dann noch schräger. Statt zuhause wie gewöhnlich in die Kindermesse zu gehen, sind wir um die ähnliche Zeit zur traditionellen Keulengymnastik gegangen. Da kann man schwitzenden Männern in Lederhosen zugucken, wie sie Übungen mit schweren Holzkeulen oder Metall-Schellenkränzen machen. Alles zu dem Gesang und Tommelspiel von zwei Männern auf einer Empore. Da kamen aber nicht nur Touristen zum Zuschauen, hauptsächlich iranische Familien haben sich mit Popcorn niedergelassen. Sehr verrückt, aber auch beeindruckend, weil eine Keule bis 40kg wiegen kann. Mal ein anderes Weihnachten. 

Danach sind wir in der Stadt essen gegangen. Leider war es für uns als Vegetarier gar nicht so einfach, nicht immer nur das Gleiche zu bekommen. Irgendwie haben wir uns das persische Essen anders vorgestellt. So mit Datteln, verrückt gewürztem Reis, Humus, Falafeln und lauter kleinen Schälchen mit allerlei exotischen Dips, die man mit warmen Fladen isst. Aber meistens war es Fleisch am Spieß und dazu gegrilltes Gemüse. In den kleinen Lebensmittelläden haben wir uns auch schon oft gefragt, von was sich die Menschen ernähren, weil es hauptsächlich Fertigkuchen, Reis, Nudeln, Dosentomaten, Süßkram (richtig viel Süßkram), Kinderspielzeug und Putzmittel gibt. Aber wir dachten, um persische Küche zu erleben, müssten wir in ein schickeres Restaurant gehen, als die verranzten Straßenläden, in denen wir Mittags essen. Und die haben wir ja während der zwei Wochen gesehen. Es gab schon Varianz, aber nicht wirklich, was das Fleischlose angeht. Gefunden haben wir trotzdem immer was, weil wählerisch sind wir eigentlich nicht. Und ich will mich nicht beschweren, wir müssen nicht in der Kälte kochen und geschmeckt hat es ja auch.

Dafür war an Unterhaltung einiges geboten. Oft gab es Bands, die traditionelle Musik gespielt haben. Und einmal sogar einen Sänger der herzzerreissend gesungen hat. In seinem roten Anzug, rosa getönter Brille und Unterlippenbärtchen ist er durchs Restaurant gewandert, hat sich von den Mädchen anschmachten lassen. Manchmal hat er auch direkt eine angesungen, die sich dann kichernd weggedreht hat. Auf den Papa hat ers irgendwie auch abgesehen und ihm öfter im Vorbeigehen zärtlich übers Haar gestrichen. Süß. 

Große Teile des Iran bestehen ja aus Wüste. Hauptsächlich Steinwüste, die sich zwar schon verändert, aber es bleiben halt doch Steine. Aber dann gibt es da vor … einen riesigen Salzsee und rundrum Sandwüste. Richtige Dünen, die da einfach rumstehen. Da ist das Kind mit uns direkt durchgegangen. Wir haben die Schuhe ausgezogen und sind raufgelaufen. Naja, laufen kann man das nicht nennen, weil das echt anstrengend ist, sich den Sand hochzukämpfen. Aber der Ausblick hat sich gelohnt!! Vorallem auf meine Eltern, die alle von sich gestreckt im Sand flacken. Faule Bagage. Mit Faramarz haben wir dann noch ein Wettrennen gemacht, das ich deutlich verloren hab, weils mich die ganze Zeit gebaut hat. Damit wir auch wirklich überall Sand haben, haben Tom und ich noch gemeinsam Purzelbäume gemacht, weil ich das schon immer mal ausprobieren wollte. Und die leicht abfallende Düne eignet sich dafür ja perfekt. Sieht im Endeffekt leider nicht so geschmeidig aus, wie ich mir das vorgestellt hab.

In Esfahan waren wir insgesamt fünf Tage. Das hat uns auch richtig gut gefallen, weil das echt eine schöne Stadt ist. Vorallem mit dem riesigen Platz Meidān-e Emāmin der Mitte. Dort fahren nämlich überhaupt keine Autos und das ist echt eine angenehme Abwechslung. Auf dem Bazar rundrum haben wir dann ordentlich eingekauft. Das mussten wir natürlich ausnutzen, dass wir einen kostenlosen Kurier nach Hause dabei haben. Und wie wir schon erzählt haben, ist es manchmal echt schade, wenn man durch interessante Länder fährt und nie mal ein Souvenir kaufen kann, weil das einfach aufs Gewicht schlägt. Da aber bei der Fluggesellschaft meiner Eltern jeder 30kg Freigepäck hatte, konnten wir ordentlich zulangen. Also direkt noch einen Teppich gekauft, ein schönes Tuch, sechs Messingbecher, ein großes Tablett und Kissenbezüge. Wenn wir zurückkommen, haben wir zwar keine Wohnung oder Möbel, aber lauter schönen Tand. Naja, wir können ja wieder im Garten meiner Eltern zelten, die freuen sich sicher, gell?

Die Moscheen an dem Platz sind wirklich beeindruckend. Die Fließen, Wandmalerei, Schnitzkunst, Architektur und all die Farben und Formen machen einen echt sprachlos, wenn man in die riesigen Kuppeln blickt. Auch wenn man nach der zehnten Moschee denkt, man hätte doch jetzt alles gesehen, kommt wieder ein neues Extrem oder Detail.

Am letzten Abend haben wir eine Art Kochkurs bei einer Familie daheim gemacht. Das war super interessant und extrem lecker! Da gab es in Dattelsirup eingekochte Zucchinis, lecker angemachten Salat und genau das, was wir uns eigentlich erhofft hatten. Der Reis wird nämlich auch anders gemacht als bei uns. Dafür wird der Boden im Topf mit Kartoffelscheiben oder Brot ausgelegt, eine Tasse Wasser und ein bisschen Öl dazu und darauf kommt dann der angegarte Reis. So kommt er für 30 Minuten auf den Herd und wird von unten angebraten. Die Brot- oder Kartoffelkruste ist natürlich das Beste. Und dazu die ganzen anderen Leckereien.. hmmm.

Ach das war schon echt sau schön!! Wir haben uns wieder entspannt und es sehr genossen, dass wir über Weihnachten nicht alleine in der Fremde sind. Außerdem hatten wir extremes Glück, weil meine Eltern genau für diese zwei Wochen Sonnenschein mitgebracht haben. Und ein bisschen Heimat: „Guten Morgen. Ach da geht die Sonne auf! Bist wieder schlecht drauf?“-„Nein Papa. Wie du schon sagst, es ist Morgen…“

Danke, dass ihr uns besucht habt!! Das hat uns wirklich wahnsinnig gefreut!! 


EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION

  • Wassermuseum Yazd | sehr gutes und aufschlussreiches Museum über die Wasserversorgung in der Wüstenstadt
  • Musikmuseum Isfahan | sehr interessantes Museum über die ganzen verrückten Instrumente und mit Glück einem kleinen Konzert
  • Sogoli Restaurant | gemütliches und liebevoll eingerichtetes Restaurant in Esfahan mit sehr gutem (vegetarischem) Essen