IRAN WARM

05. – 14. JANUAR 2020

Gleich ein ganz anderes Land… fast. Aber alles, was uns in der Kälte genervt hat, war im Warmen gleich viel erträglicher und mit einem Schmunzeln hinzunehmen. Nicht immer, aber die Bereitschaft war auf jeden Fall höher. Und das Schöne war, dass wir wieder gemütlich zelten, die Mittagspause draußen genießen und einfach entspannter sein konnten. Jetzt musste man nicht mehr so schnell wie möglich zusammenpacken, damit wir schnell aufs Radl kommen, um wieder warm zu werden. Ach herrlich. 

Am 05. Januar sind wir mit dem Sattelschlepper in Asaloyeh gelandet, dem schrägsten Ort in dem wir jemals waren. Es war schon spät, aber immernoch warm und die leichte Brise hat nach Meer gerochen. Eigentlich hätte es dunkel sein sollen, aber die ganze Kleinstadt war von den Fackeltürmen unzähliger Raffinerien schaurig erleuchtet. Das war schon wirklich gruselig. Trump hat genau an dem Tag verkündet, dass sie 52 strategisch wichtige Ziele im Visier haben, sollte der Iran angreifen. Und da brennen Raffinerien gut. Also haben wir schnell geschaut, dass wir weiterkommen. 

Die Situation war wirklich schwierig einzuschätzen. Wir wollten nicht überreagieren, aber in den Medien hat sich alles so furchtbar angehört. Gerade der Süden mit den Inseln soll traumhaft schön sein und das wollten wir uns eigentlich nicht entgehen lassen. Aber nur um schöne Sachen zu sehen, wollten wir natürlich nicht in einem werdenden Kriegsgebiet rumradeln. Deswegen hatten wir vor, die deutsche Botschaft telefonisch nach ihrer Einschätzung zu fragen. Sprechzeiten 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr. Eine klassische sechs Stunden Woche, weil Sonntag ist frei. Sind natürlich nicht durchgekommen, weil es schon fast eine Stunde gedauert hat, bei der automatischen Ansage die richtige Kombination zu finden, um zu einem persönlichen Ansprechpartner weitergeleitet zu werden. Meistens wurde man auf die Website verwiesen, die überhaupt nicht aktuell ist. Auf die Mail haben sie nach drei Tagen mit Standarttext und Link zur Website geantwortet. Naja. Nach dem zweiten Tag haben wir es auch gelassen, weil trotzdem keiner ranging. Geht ja auch langsam ins Geld. Also haben wir uns lieber dran gemacht, weiterzukommen. Obwohl an sich von der politischen Lage wenig zu spüren war, waren wir trotzdem jedes Mal ein bisschen nervös, wenn wir Militärwägen oder Kontrollpunkte passiert haben. 

Und dann mitten in der Pampa, sehen wir auf einmal Dromedare!! Einfach so stehen sie entspannt vor sich hinmampfend in der Landschaft und lassen sich wirklich von überhaupt nichts stressen. Da mussten wir nachher echt viele Fotos aussortieren, weil wir gar so ausgerastet sind. Sie sind auch relativ nah gekommen und man konnte direkt zugucken, wie sie von den Dornenbäumen futtern. Keine Ahnung, was die für ein Mund-Innenleben haben, aber wir haben uns echt einige Male beim Zelten mit den bis zu 5cm langen Stacheln zerkratzt. Und die sind verflucht spitz und stabil.. Verrückte Viecher. 

Für die Nacht haben wir ein trockenes Flussbett gefunden. Blöd war nur, dass genau in dem Moment, wo wir hinter die Hügel verschwinden wollten, ein Polizeiauto vorbeikam. Die wollten natürlich wissen, was wir vorhaben. Auf die Frage, ob wir hier zelten dürfen, haben sie nur den Kopf geschüttelt und gemeint, dass das viel zu kalt sei. Das war schon witzig, weil wir so happy waren, dass es endlich wieder warm ist und sie Angst hatten, dass wir erfrieren. Tom hat das mal wieder mit seinem Charm, Händen und Füßen geregelt, während ich auf die Suche nach einem geeigneten Plätzchen gegangen bin. Im Endeffekt haben wir ihnen einen Sticker geschenkt, noch ein Foto gemacht und sie meinten, dass sie die Nacht über patroullieren und auf uns aufpassen. Sau süß. Während wir dann da so im Dunkeln unser Essen genießen, kommt plötzlich der jüngere der Beamten durch die Büsche auf uns zu. Er begutachtet unser Chaos, und zeigt uns sein Handy. Darauf sind Screenshots von Sätzen, die er vorher im Internet übersetzt hat. So fragt er uns, ob wir noch Decken brauchen und dass wir in die Polizeistation kommen können, falls es zu kalt wird. Dann drückt uns ein Sackerl in die Hand, sagt „here, breakfast“ und geht wieder zurück zu seinem Auto. Wir waren völlig perplex, weil damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Unglaublich lieb!! 

So konnten wir am nächsten Morgen unser Müsli mit leckeren Rosinenkuchen, Orangensaft und Bananenmilch aufmotzen. Und fürs Radln gabs noch zwei Engergy-Drinks. Wir sind nochmal kurz zum Einkaufen ins Dorf und haben da einen Haufen Jungs getroffen, die uns gefolgt sind. Als wir wieder die Straße am Meer entlang nehmen wollten, haben sie wild mit den Händen rumgefuchtelt und uns zu verstehen gegeben, dass wir die auf keinen Fall nehmen können, weil sie teilweise überflutet ist. Also sind wir wieder umgedreht und auf der Hauptstraße im Gegenwind weitergefahren.

Am Abend haben wir ein wunderschönes Plätzchen im Sonnenuntergang gefunden und angefangen alles herzurichten. Beim Küche aufbauen kam in einiger Entfernung ein Auto mit lauter winkenden Frauen vorbei. Erst als sie auch zu rufen und hupen angefangen haben, haben wir gecheckt, dass sie uns was mitteilen wollen. Mit dem Translator haben sie uns erzählt, dass wir hier nicht zelten können, weil „wild animals“ ihr Unwesen treiben. Weil sie gar so besorgt ausgeschaut haben, haben wir uns schon in wildesten Farben ausgemalt, was da rumstreunert. Nach einigem hin und her kam raus: Es handelt sich um einen Eber. Nachdem noch ein Auto stehen geblieben ist, und die das Gleiche erzählt haben, waren wir doch skeptisch. Wir hatten auch echt einiges an Proviant dabei und selbst wenn wir das hoch in den Baum hängen, sind wir auf dem Boden nicht sicher von ihm, wenn er irgendwo doch noch einen Keksbrösel riecht. Und das Vieh besteht ja quasi nur aus Muskeln und Stoßzähnen. Also haben wir wohl oder übel alles wieder abbauen müssen und sind in der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit grummelnd drei Kilometer zurückgefahren. Dort war nämlich ein öffentlicher Park, in dem man zelten darf. Sogar mit Toilettenanlagen. Und das beste: er ist ebersicher umzäunt. Also nochmal alles auf dem unnatürlich grünen Gras zwischen zwei Palmen im Licht der bunten Laternen aufbauen. Danach haben wir in unseren Campingstühlen auf einer Parkbank Reis mit Paprika-Kokos-Curry gekocht. Mit Sicht auf den Spielplatz und die ordentlich beschnittenen Hecken. Ein bisschen blöd kamen wir uns vor den ganzen rumlungerten Teenis schon vor, aber Scheiß drauf. Und das alles wegen einem einzelnen Eber…

Am 09. Januar war es dann soweit. Ich hatte meinen ersten Platten!! Hurra. Na gut, man kann nix sagen nach 4848 km. Aber es war halt nicht irgendwo in der Pampa, sondern genau neben einer Baustelle. Weil ich ja der Mechaniker im Team bin, haben sie natürlich doppelt skeptisch rübergeguckt. Aber tada – ausgebaut, ziemlich großes Loch geflickt und erfolgreich wieder eingebaut. Währenddessen kam drei Mal ein Typ vorbei und hat gefragt, ob wir es denn noch rechtzeitig schaffen, weil es soll einen wahnsinns Wolkenbruch geben. Oh mann, da haben wir natürlich überhaupt nicht drauf geguckt, obwohl die schwarzen Wolken echt unheilvoll aussahen. Das war auch der Grund für die Baustelle. Vor kurzem gab es schonmal eine komplette Überflutung des Dorfes und deswegen wurden Wassergräben ausgehoben. Als er erfahren hat, dass wir zelten wollen, hat er es uns quasi verboten und uns in sein Farmhäusschen eingeladen. Erst wollten wir ablehnen, weil wir uns so gefreut haben, dass es temperaturtechnisch wieder möglich ist. Aber im Endeffekt waren wir heilfroh. Wir mussten zwei Nächte bleiben, weil es ununterbrochen geschüttet und alles unter Wasser gesetzt hat. Da wären wir in unserem Zelt schön schwimmen gegangen. Nach einiger Zeit kam es auch durch das Palmblätterdach und wir sind im Geräusch vom unregelmäßigen Tropfen in unsere Töpfe eingeschlafen. Vielen Dank Isak fürs Retten!!

Zwei Tage später konnten wir wieder aufbrechen. Man hat schon deutlich gesehen, dass es in letzter Zeit zu viel geregnet hat. Wir waren irgendwann auf einer erhöhten Straße, die aussah, als würde sie mitten durch einen See gehen. Und dann sehen wir zwei Laster seitlich im Wasser neben der Straße liegen. Als hätten sie sich zum Schlafen gelegt. Da hat es wirklich die Straße so unterspült, dass der Asphalt einfach weggebrochen ist. Ab da sind wir immer schön in der Mitte gefahren, weil man auch nicht sehen konnte, wie viel Fundament schon flöten gegangen ist. Da hatten wir wirklich Respekt vor den riesigen LKWs, die da trotzdem stur weitergefahren sind.. Fünf gestrandete Laster haben wir im Endeffekt gesehen. 

Kurz vor Schlafplatzsuche hatte ich leider nochmal einen Platten. Ich hab das Loch im Mantel unterschätzt und bei dem ganzen Glas auf dem Boden hatte ich eh Glück, dass ich den ganzen Tag fahren konnte. Also nochmal ausbauen, aber diesmal auch den Mantel flicken. Inzwischen war es schon dunkel geworden und wir sind in dem Dorf geblieben. Zum Glück gabs wieder einen öffentlichen Park am Meer, wo es erlaubt war, zu zelten. Wieder mit Grünflächen, Toilettenanlagen, Trinkwasserspender und Hund und Katz, die sich geärgert haben. Katz hat natürlich gewonnen. Das ist schon wirklich schön, dass das alles kostenfrei zur Verfügung steht. Also nicht nur uns, sondern auch den Bewohnern, weil Picknicken hier echt groß ist. 

Am übernächsten Tag haben wir noch eine Folge der ganzen Regenfälle gesehen. Eine komplette Straße war von den Fluten weggerissen worden. Das Wasser stand immernoch hoch und somit auch keine Chance, irgendwie durchzukommen. Also blieb uns nix anderes übrig, als außenrum zu fahren. 35km Umweg und die Hälfte davon fieser Gegenwind. Naja. Auf halber Strecke haben wir aber dann einen perfekten Schlafplatz zwischen den Hügeln gefunden und hatten in der Abendsonne sogar noch genug Zeit, um uns zu duschen. Ach da schläfts sich doch gleich viel besser. 

Die zweite Brücke hat zum Glück gehalten, deswegen konnten wir am nächsten Morgen den Fluss überqueren. Kurz danach haben wir zwei Schweizer Reiseradler getroffen, die auf dem Weg in die Heimat sind. Christian und Maja fahren quasi unsere Route in die andere Richtung. Das war wirklich schön, mal wieder ein bisschen über Ausrüstung, Tips und das Radler-Dasein zu philosophieren. Allerdings waren wir gleich wieder eingeschüchtert, als wir erfahren haben, dass sie heute „erst“ 26km hatten (wir stolze 6) und ihr Tagesdurchschnitt bei 100km liegt. Eigentlich sind wir ja mit unserer Gemütlichkeit glücklich und wir müssen uns ja mit keinem vergleichen. Aber wir sind doch manchmal neidisch, weil wir es einfach nicht hinkriegen, früher aufzustehen, am Morgen schneller zu sein und so lange zu fahren. Naja, Kaffeefahrt bleibt eben Kaffeefahrt. 

Also sind wir ganz gemütlich bis Bandar-e-pol gefahren, wo wir in der Dämmerung sogar noch eine Autofähre auf die Insel Queshm für lau gekriegt haben! Wir haben wirklich gespürt, wie wir jeden Tag ein bisschen entspannter werden. Das war echt wichtig, weil wir dem Iran nach der ganzen blöden Kälte auf jeden Fall noch eine Chance geben wollten. Vorallem weil wir eben die ganze Zeit liebe Menschen treffen, die uns helfen, Tips geben und vor allerlei Schlamasseln bewahren.