HORMUS/BANDAR ABBAS (IRAN)

25. JANUAR – 02. FEBRUAR 2020 

HIPPIEINSEL

Wir waren froh, dass auf dem kleinen Boot überhaupt noch Platz war für unser Fahrrad. Natürlich wollten sie dafür nochmal extra Geld abknöpfen, aber wir haben das schon beim Schalter abgeklärt. Tom hat sich mit dem Typ rumgeschlagen, während ich geschaut hab, dass alles gesichert ist und wir noch einen Sitzplatz bekommen. Nach zehn Minuten kam Tom komplett genervt: „Ich hab ihm jetzt einfach einen Sticker gegeben und bin gegangen.“ Passt, so regeln wir das. 

Schon beim Verlassen der Fähre merkt man, dass das ein anderes Iran ist. Man spürt förmlich den Hippie-Vibe. Einige Frauen tragen kein Kopftuch mehr und viele tragen kurzärmelige Oberteile. Außerdem haben wir zum ersten Mal Leute spazieren gehen sehen. Normalerweise wird auch der letzte Meter mit dem Auto gefahren und dann direkt daneben gepicknickt. Bloß keine unötigen Schritte. Empfangen wurden wir von dutzenden bunten Tuk-Tuks, die uns alle einen Platz anbieten wollten. Sogar im uns Überholen haben sie uns grinsend gefragt, ob wir einen ride brauchen. Oh Mann. 

Hormus ist wirklich winzig. Eine Umrundung sind 23 km. Also haben wir uns Zeit gelassen, in der Stadt Tee getrunken und sind erst in der Dämmerung auf Schlafplatzsuche gegangen. Wir wollten zum Red-Beach. Wegen dem hohen Eisengehalt im Gestein, sind viele Felsformationen rötlich und in dem Fall auch der Strand. Das Zelten ist überall erlaubt, was die Suche sehr erleichtert. Also einen Platz neben einem anderen Zelt gefunden und 15m vom Meer geschlafen. Von Queshm haben wir gelernt, dass man auf die Flut achten muss, deswegen haben wir uns im Internet den Gezeitenkalender angeschaut und waren froh, dass der Höhepunkt der Flut fast zwei Meter von unserem Zelt weg ist. 

Am nächsten Tag sitzen wir beim Müsli herrichten, als eine Gruppe junger Iraner den Strand entlangschlendert und uns anspricht. Wir haben uns richtig gut mit ihnen verstanden, also haben sie sich neben uns niedergelassen, um gemeinsam zu frühstücken. Auf einmal fragt mich die eine: “Do you wanna dance?“ Direkt macht ein anderer die Musikbox an und sie steht auf und tanzt. Die anderen gucken erst zu, und dann stehen alle auf und machen mit. Ich werd natürlich auch gleich auf die Füße gezogen, also tanzen wir selbstvergessen um 10.30 Uhr zu iranischer Musik im roten Sand. Und das alles ohne Alkohol oder anderem! Nach 15 Minuten packen sie alles wieder zusammen und verabschieden sich. Sie haben noch einen straffen Zeitplan, weil sie nur fürs Wochenende auf den Inseln sind. Und zack, sind wir wieder allein. Morgens halb 11 auf Hormus. 

Den Tag über gammeln wir nur rum, lesen, kochen und tun nix. Herrlich. Ab dem Nachmittag sind wir auch komplett alleine, weil ein Regenschauer alle verscheucht hat. Als wir so schlafbereit im Zelt liegen, kommt auf einmal eine große Welle direkt ins Vorzelt. Wir haben uns aufgesetzt und wie versteinert mit den Stirnlampen das Wasser beobachtet. Über eine halbe Stunde, aber gemacht haben wir nix. Gerade als wir uns wieder hinlegen, kommt nochmal eine. Vielleicht war das der Grund, warum wir alleine am Strand sind. Also hab ich unsere Schaufel ausgepackt und angefangen einen Graben zu buddeln. Mit Mauer davor und allem. Richtig tief hab ich den gemacht, weil ich echt keine Lust auf umziehen hatte. Wir waren ja eh schon mit dem Zelt ganz an der Felswand. Aber zum Glück hats der Burggraben voll gebracht und uns geschützt. Mein Sandburgenbau-Ich wäre stolz gewesen. 

Auf dem Weg zu unserem nächsten Campingspot haben wir eine Runde gedreht, uns alles Sehenswerte angeschaut und die wahnsinns Natur bewundert. Gefühlt hat jeder Berg eine andere Farbe und manche sind mit einer weißen Salzkruste überzogen. In den Tälern läuft dann die Sole in kleinen Bächen zusammen und je nach Untergrund gibt es dann wirklich rote und schwarze Rinnsale mit weißen Kristallrändern. Wir haben auch haufenweise Brautpaare gesehen, die sich in der farbenfrohen Natur fotografieren und filmen lassen. Inklusive Drohne und allem. Obwohl die Frauen auf ihren hohen Schuhen auf dem steinigen Boden überhaupt nicht laufen konnten. Naja, das lange Kleid kaschiert ja zum Glück. Ein Filmer hat uns gefragt, ob wir dem Brautpaar nicht ein Ständchen singen wollen. Weil wir kein passendes Lied zur Hochzeit parat hatten, haben wir zur Melodie von Happy Birthday in aachener Manie „Hast geheiratet Au Hur! Hast geheiratet Au Hur! Hast geheiratet, hast ne Frau jetzt, hast geheiratet Au Hur!“ Sie haben sich sehr gefreut. 

Wir wollten nochmal drei Tage in der Pampa verbringen, aber dafür mussten wir erstmal einkaufen. Hier gibt es auch nur diese kleinen Kioske, aber auf unserer Navigationsapp haben wir einen Supermarkt gefunden, der als ‘relatively big’ beschrieben ist. Er war ebenfalls winzig, aber dann gibts halt drei Tage Reis mit Scheiß. Weil der Typ nicht rausgeben konnte, hat er uns einfach ein paar Süßigkeiten als Wechselgeld gegeben. Und der Früchteladen nebenan hat einfach all unser Obst und Gemüse auf die manuelle Waage gelegt, ein paar Gewichte drauf und dann einen ganz geraden Betrag genannt. Weil ich ihn skeptisch angeguckt hab, hat er das kleinste Gewicht nochmal runtergenommen und die Schale ist wieder gestiegen. Das erklärt den Preis zwar immernoch nicht, aber von mir aus.

Obwohl wir absolut in der Pampa waren, sind immer mal wieder irgendwelche freien Seelen ganz verträumt um uns rumgeschlendert. Wir haben die Räder echt weit durch den sandigen Boden geschoben, dass man uns von der Straße nicht sehen kann. Aber anscheinend waren nicht nur wir auf der Suche nach Natur. Wir sahen auch irgendwelche Leute auf den Hügeln ringsrum, die da entweder nur sitzen oder vor sich hinsingen. Einmal kamen zwei Kerle mit einem Plastiksackerl vorbei. Wir haben uns kurz mit ihnen unterhalten und dann sagt der eine: „Ok cool, then have a nice time. We will take some mushrooms now“, hält die Tüte hoch und sie verschwinden Richtung Meer. Das erklärt natürlich einiges. 

Nach 10 Tagen hatten wir dann auch genug und wir mussten ja langsam schauen, dass wir weiterkommen. Das Visum hält nicht ewig und wer weiß, wie das mit der politischen Lage weitergeht. Da auch noch das Flugzeug abgeschossen wurde, wurde der komplette Flugverkehr über und in den Iran eingestellt. Das ist schon irgendwie schräg, weil das Corona-Virus gerade Europa erobert und wir hier durch die Abschottung davor erstmal sicher sind. Na immerhin etwas. Trotzdem lieber nicht zu lange das Glück herausfordern. 

Also haben wir die nächste Fähre zurück genommen und durften vorn am Bug bei unseren Rädern sitzen, während wir nach Bandar Abbas gefahren sind. Dort haben wir jedes Hotel abgegrast auf der Suche nach einem nicht völlig überteuerten, das aber doch Internet hat, damit wir weiterarbeiten können. Endlich hatten wir eins gefunden, das halbwegs okay aussah. Aber leider nur die Lobby. Die Zimmer sahen aus wie Baucontainer, es war mega dreckig, hat nach Rauch gestunken und das Fenster konnte man nicht aufmachen. Naja, für eine Nacht tuts das schon. Als wir das Frühstück suchen, stehen wir in einem komischen niedrigen Zwischenstock und finden das Restaurant nicht. Der nächste Angestellte sagt, dass das schon passt, schiebt uns durch die Küche und wir stehen mit eingezogenem Kopf in einem vollen Frühstücksraum. Wer baut sowas?? 1,85m Deckenhöhe, kein Fenster war dicht, alles war schief, dreckig und kaputt. Beim Auschecken will der Manager uns noch eine Rechnung von irgendeinem Kaffee aufdrücken, den wir garnicht hatten. Jau leck, absolute Antiempfehlung: Hotel Amin.

Das andere, zu dem wir wollten, war leider schon voll. Wir haben an der Rezeption ganz arm getan, aber da war nichts zu machen. Aus dem Frühstücksbereich kommt ein junger Kerl zu uns, und fragt auf deutsch, ob er uns helfen kann. Er redet kurz mit dem Angestellten, bekommt einen Schlüssel ausgehändigt und zeigt uns ein tiptop Zimmer. Ja, wenn man farsi kann, ist alles viel leichter. Soheil ist in Köln aufgewachsen, hat iranische Eltern und ist seit zwei Jahren hier am Reisen, um sein Land und seine Wurzeln kennenzulernen. 

Später haben wir uns noch zum Abendessen getroffen und er hat uns viel erzählt, wie er das Land so erlebt hat. Leider ähnlich wie wir. Die Leute sind wahnsinnig lieb und hilfsbereit, aber wenige machen mehr als das Nötigste und schieben es auf die Regierung, wenn etwas nicht läuft. Selten werden die schönen Parkanlagen oder Spielplätze geschätzt, sondern als selbstverständlich angenommen. Und viele sind leider einfach nur auf Geld aus, vorallem die Frauen. 

Am letzten Tag haben wir nochmal den Benjamin getroffen, der als nächstes Hormus anschauen will. Er hat leider auch kein allzu gutes Bild von dem Land und will ihm, genauso wie wir, noch eine Chance mit den Inseln geben. Wir haben noch gemeinsam Mittag gegessen, ein alkoholfreies Bier getrunken und sind dann gemeinsam zur Fähre gefahren. Da konnte er dann gleich gucken, was ihn so erwartet, wenn er auch nach Dubai übersetzt. Alle Taschen werden gewogen, aufgemacht, abgetastet und dann wird das Rad aufgepackt in einen Käfig gestellt. Na dann, hoffen wir mal, dass alles heile ankommt. 

Tschüss Benjamin, bis bald vielleicht im Oman!


EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION

  • Insel Hormus | da muss man nix konkretes empfehlen. Die ist einfach wunderschön und voller lieber Leute