ALBANIEN

12. – 21. SEPTEMBER 2019

Eigentlich wollten wir nur eine Nacht in Shkodra bleiben, aber wir sind echt eine lustige Gruppe geworden und trennen wollten wir uns nicht. Nancy und Mindi leben und arbeiten beide in Leipzig, sind jetzt aber in ihrem Sabbatjahr und wollen Europa beradeln. Am zweiten Abend kam noch der Benjamin mit dazu, den die Mädls von einer Freundin aus der Heimat per Whatsapp kennen und mit dem sie sich in dem Hostel verabredet haben. Der hat auch geplant, ein Jahr mit dem Fahrrad Richtung Iran und so zu fahren. Also waren wir gemeinsam bis zum 15.9. im Hostel und haben uns um allerlei Haushaltskram gekümmert. Der Benjamin ist nämlich Ingenieur, kennt sich mit Rädern aus und konnte uns beim Durchchecken mehr helfen als die Youtube-Tutorials. Gemeinsam sind wir weitergefahren bis Koman. Auf dem Weg wurde uns der Unterschied zu den bisherigen Ländern immer bewusster: Die Straßenverhältnisse wurden.. nennen wir es schwierig, Häuser immer windiger und schlechter, die Strom- und Wasserversorgung verrückter, die Arbeitsmoral sehr locker, die Müllentsorgung noch schlechter aber die Natur war wunderschön und abwechslungsreich. Ja und die Mercedesdichte ist wirklich deutlich angestiegen. Vorallem in Städten wurde das alles sehr deutlich.

In Koman haben wir einen Campingplatz am Fluss gefunden und unser Lager nebeneinander unter freiem Himmel aufgeschlagen. Da war auch noch ein Hotel und Restaurant mit dabei, das, um sich das Dach zu sparen, einfach unter die Brücke gebaut worden ist. Die zwei Klos war gleichzeitig die zwei Duschen und das Abwasser hat sich mit dem Fluss daneben quasi auch selbst erledigt. Praktisch. Weil wir ja eigentlich kaum Fleisch essen, haben wir uns in dem Restaurant „Maccarones with Cheese“ und „Rice with Cheese“ bestellt und wirklich einfach nur trockene Nudeln und Reis mit geriebenem Gouda drüber bekommen, ohne Salz, ohne Öl. Da haben sie uns nicht zu viel versprochen. Aber das Schöne ist echt, dass, wenn man den ganzen Tag radlt, einem eigentlich alles schmeckt. 

Am Morgen sind wir dann mit der Fähre zwischen den bewaldeten Bergen bis nach Fierze gefahren. Weil wir ja nix gefrühstückt haben, haben wir auf dem Schiff erstmal unser ganzes Equipment ausgepackt und uns zur Belustigung der anderen Gäste lecker Milchreis und Müsli gemacht und Schach gespielt. In Fierze mussten wir dann eine Kriesensitzung halten, weil wir uns eigentlich nicht trennen wollten, aber doch jeder einen anderen Plan und Richtung hat. Im Endeffekt haben wirs doch nicht übers Herz gebracht und eine schöne Route mit Ausblick rausgesucht, die uns ein Mitarbeiter im Cafe empfehlen konnte. Der war auch ganz von den Socken, wo er die Landkarte gesehen  hat, weil er garnicht wusste, wie sein Land aussieht. „You never saw a map of your country in school?“ – „Do I look like a good student?“ Also sind wir die Berge hoch und an der Bergkette am Stausee entlang.

Oben angekommen haben wir zwei verlassene Häuschen gefunden, die perfekt zum Wildcampen waren. Das eine war komplett abgesperrt und war mal vielleicht ein Arzt, weil da eine Liege, Verbände und Medikamentenschachteln rumlagen. Und das andere war eine Schule, wo manche Räume zugesperrt waren. Aber in einem Klassenzimmer gabs auch kein Fenster mehr, nur noch ein Loch in der Wand mit wunderschönem Ausblick auf die Berglandschaft und den farbenfrohen Sonnenuntergang. Perfekt zum schlafen. Toiletten gab es leider keine mehr, weil schon alles zerfallen war. Also haben wir unser Essen gekocht und die Gruselgeschichten verdrängt, die einem bei einer verlassenen Schule sofort in den Kopf kommen. Am Morgen wurden wir dann geweckt. Von drei Schulklassen. Eine Lehrerin schaut verwundert rein und sagt: „I’m the teacher“ und Mindi deutet auf Nancy und sagt: „She’s a teacher too!“ 

Irritiert hat sie sich umgedreht, die anderen Klassenräume aufgesperrt und wir mussten erstmal verarbeiten, dass hier wirklich Kinder unterrichtet werden. Da wundert mich nix, wenn da Leute noch nie eine Albanienkarte gesehen haben. Ich glaube, die Lehrerin hat die Kinder auch vor uns gewarnt, weil die nur geguckt und einen großen Bogen um uns gemacht haben. Aber gut, ich wäre als Kind glaub ich auch äußerst verwirrt, wenn irgendwelche Penner in meiner Schule schlafen. Mit den Lehrern haben wir dann mit Händen und Füßen ausgemacht, dass wir zusammenpacken, noch in Ruhe frühstücken und dann weiterfahren. Als die Kinder Pause hatten, haben wir auch erfahren, wie sie das mit der fehlenden Toilette machen. Sie pinkeln an den Walnussbaum. Wir konnten uns auch einen der Klassenräume nochmal anschauen, aber da gab es nicht viel zu sehen, außer Pult, Stuhl, drei Tische, drei Bänke ohne Rückenlehne und der Tafel an der Wand. Die Kinder kamen auch ohne Rucksäcke oder irgendetwas, wo man was hätte reinschreiben können. Das war echt super schräg..

Die nächsten Tage sind wir wieder höhenmeterreich an den Berghängen entlang, immer mit ziemlich geiler Aussicht, haben noch einmal gezeltet und wollten dann nach Kukes. Allerdings gab es da keinen anderen Weg als über 8 km Autobahn. Da blieb uns nix anderes übrig, also haben wir uns davor noch einen Cafe geholt, uns seelisch drauf vorbereitet und sind dann in Formation Sauhaufen, wie es der Benjamin liebevoll nennt, auf die Autobahn aufgefahren. Die war auch echt neu und in einem super Zustand und so sind wir dann gemeinsam gegen den Gegenwind bergabgestrampelt. Zum Glück war echt nicht viel los und die Leute haben uns auch überraschend human überholt. Seltsam wars trotzdem, weil es gab keinen Standstreifen und es waren auch keine Pferdegespanne oder sonstwas langsames unterwegs. Nur reichlich Mercedes.

Am nächsten Tag sind wir vom kalten schlechten Wetter mehr oder weniger überrascht worden. Zum Glück waren wir da grad an einem Mini-Markt mit Cafe daneben, wo wir den Regenschauer bei einer Runde Mäxchen abwarten konnten. Weils aber echt saukalt und feucht war, war uns eigentlich allen nicht so wirklich nach weiterfahren, und wo uns der Besitzer angeboten hat, dass wir auf dem Boden schlafen könnten, haben wir nicht lange überlegt. Allerdings kamen gegen Abend immer mehr Leute in das Cafe und haben ihren Feierabend mit Bier begossen. Die Musik wurde über Youtube rausgesucht und irgendwann waren natürlich wir an der Reihe. Das Ganze ist schnell in eine echte Trash-Schlacht ausgeartet mit „Ich rolle mit meim Besten“ von Haftbefehl, „Das schlimmste, ist wenn das Bier alle ist“ von den Kassierern, „Boomerang“ von Blümchen und jeder Menge Scooter. Und das alles, während auf dem Fernseher berichtet wurde, wie ein ehemaliger Minister wegen Mafiaverwicklungen verhaftet wurde. Als wir angefangen haben, Zähne zu putzen, hat sich die Gesellschaft langsam aufgelöst und es ist nur noch der Barkeeper Tano geblieben, der als Wache dableiben sollte. Erst wollte er im Sitzen schlafen, aber nachdem wir alle unsere Sachen zusammengesammelt haben, damit er sich wenigstens halbwegs gemütlich hinlegen kann, hat er seinen Bruder erreicht, der ihm noch eine Matratze und eine Decke gebracht hat. Sonst hätten wir echt ein sauber schlechtes Gewissen gehabt. Am nächsten Morgen haben wir uns verabschiedet und sind weiter Richtung Peshkopi. Tano musste an dem Tag auch noch weiterarbeiten, und wir haben von ihm erfahren, dass er für 16 Stunden Arbeit gerade mal 10€ bekommen hat. Wie soll man da denn sparen??

erfüllt seinen Zweck
rolle mit meim Besten

Nach 60km waren wir dann in einem Hostel in Peshkopi, das früher mal einem Diktator gehört hat. Mit herrschaftlicher Aussicht über die Stadt und Kalaschnikow-sicheren Türen. Alles was man halt so braucht.

2000 km!!!

Nach 10 Kilometern haben wir dann am nächsten Tag die Grenze nach Nordmazedonien überquert und das sehr schräge, wilde, aber wunderschöne und gastfreundliche Land Albanien hinter uns gelassen.


EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION

  • Our Way Hostel in Shkodra | schönes, gemütliches, günstiges und vor allem sauberes Hostel, zentrumsnah, kommunikativ, incl. Frühstück, sehr hilfsbereites Personal, die alle Englisch können
  • Strecke von Fierze nach Kukes | traumhafte Aussichten, mit Blick auf den Drin-Stausee, kaum Verkehr, vergleichsweise gute Straßenverhältnisse, 5km unausweichbare Autobahnstrecke sehr gut machbar, kaum Einkaufsmöglichkeiten
  • Restaurant Xhamlliku in Kukes | Sehr gutes, günstiges, traditionelles Essen, top Bedienung, die einschätzen kann, wie viel man isst, uns gut beraten hat und sehr gut Englisch spricht